Die heutigen deutschen Dialekte Transkarpatiens (westliche Ukraine) gehen auf mehrere Einwanderungswellen zwischen dem 12. und dem 19. Jahrhundert zurück. Da die Deutschen der letzten Jahrhunderte, speziell die seit Beginn des 18. Jahrhunderts eingewanderten Siedler aus Franken, dem Böhmerwald, dem Salzkammergut und Niederösterreich sich über lange Zeit von ihrer Umwelt abgrenzten und häufig nur untereinander heirateten, blieben neben den kulturellen Eigenheiten auch die deutschen Mundarten, heute vor Ort als Schwobisch (Schwäbisch) bezeichnet, erhalten. Die rezenten Dialekte bewahrten durch die Isolation autochthone Merkmale häufig länger als dies im geschlossenen deutschen Sprachraum der Fall war oder erfuhren durch die fremdsprachige Umgebung eine andere Entwicklung als in der ursprünglichen Heimatregion.
In Transkarpatien bietet sich daher eine für die Linguistik sehr ergiebige Gelegenheit, Sprecherinnen und Sprecher deutscher Dialekte anzutreffen, deren Sprache Rückschlüsse auf die sprachliche Situation zur Zeit der Einwanderung ihrer Vorfahren vor 150 und mehr Jahren zulässt. Interessant ist in diesem Zusammenhang die Beobachtung, dass nach der etwa eineinhalb Jahrhunderte zurückliegenden Auswanderung bei den Bewohnern kaum mehr ein Bewusstsein darüber besteht, dass sie eine deutschböhmische Varietät sprechen.
Nur eine über 80-jährige Siedlerin aus Kobalewitz erinnerte sich noch an das Volkslied Im Böhmerwald, wo meine Wiege stand und benannte damit das Herkunftsland. Eine Verbindung zu den Bezeichnungen bairisch/bayerisch oder österreichisch konnte aber von keinem Befragten hergestellt werden. Die Mundart wird von den Sprecherinnen und Sprechern als schwobisch tituliert, daitsch gilt für die Standardsprache, die von den älteren Informanten noch in der Schulzeit vor Ende des 2. Weltkrieges erlernt wurde. In der Zwischenkriegszeit, als das Gebiet zur Tschechoslowakei gehörte, wurde in den Schulen der deutschen Minderheit Deutsch gelehrt. Dieser muttersprachliche Unterricht fand nach dem 2. Weltkrieg und unter der neuen Zugehörigkeit zur Sowjetunion ein abruptes Ende.
Alle transkarpatischen Siedlungen, in denen noch deutsche Varietäten gesprochen werden, stehen in engem Zusammenhang mit den Grafen von Schönborn, einem fränkischen Adelsgeschlecht, das vom habsburgischen Kaiser Anfang des 18. Jahrhunderts umfangreiche Ländereien in den Transkarpaten erhielt und zu deren Urbarmachung und weiteren wirtschaftlichen Ausbau Siedler aus den eigenen Besitzungen in Süddeutschland anwarb. Wirtschaftliche Not und eine zu schnell wachsende Bevölkerung für zu wenig kultivierbares Land veranlassten Menschen aus Südwestböhmen um Prachatitz/Prachatice, ihre Heimat aufzugeben und sich im Osten niederzulassen, wo es nach den Versprechungen der Anwerber Arbeit und reichlich Grund und Boden gab.
Ein besonderer Fokus soll auf diese deutschböhmischen Aussiedler aus Südwestböhmen gerichtet werden, die ab 1827 ankamen und die Ortschaft Dorndorf/Dratschyno gründeten. In den folgenden Jahrzehnten kamen weitere Ansiedler aus dem südlichen böhmischen Mittelgebirge und zogen in die transkarpatischen Dörfer und Siedlungen Blaubad/Synjak, Pusniak/Puzn’akuvci, Poliste/Pidpoloz’a, Hrabow/Hrabovo, Unterhrabownitz/N. Hrabovnyca, Kobalewitz/Kobalevyca und Dubi/Duby.
Die Gesamtsprecherzahl aller deutschen Varietäten in Transkarpatien hat in den letzten Jahrzehnten, beschleunigt durch den Zerfall der Sowjetunion und der damit verbundenen Öffnung der Grenzen, immer mehr abgenommen. Lebten 1935 noch etwa 15.000 Deutsche im Gebiet, liegt die aktuelle Zahl bei geschätzten 3.000 bis 4.000. Gerade die Mundart der deutschböhmischen Siedlerinnen und Siedler ist unmittelbar bedroht. Deren Sprecherzahl liegt nach eigenen Schätzungen heute wohl bereits unter 100, möglicherweise sogar unter 50 Sprechenden.
Im Jahr 2006 lebten in Pusniak und Sinjak jeweils nur noch zwei Mundartsprecherinnen, in Unterhrabovnitz noch zwei Mundartsprecher. In Kobalewitz konnten noch sechs deutschböhmische Sprecherinnen und Sprecher ausfindig gemacht werden, darunter auch das wohl letzte deutschböhmische Ehepaar, das die Varietät noch immer in der alltäglichen Kommunikation verwendet. Während die etwa dreijährige Enkelin nach Aussagen dieses Ehepaars noch bewusst im deutschen Dialekt erzogen wird, sprechen ihre eigenen Kinder jedoch kein Deutsch mehr. In Dubi, dem etwas abgelegeneren Nachbarort, wurden noch vier Deutschsprechende angetroffen. In den beiden Ortschaften Hrabow und Dorndorf lebten keine Dialektsprecher mehr, es gelang jedoch im benachbarten Schwalbach noch zwei ehemalige deutschstämmige Dorndorfer, beide hervorragende Sprecher, für Sprachaufnahmen zu gewinnen.
Gelegentlich trifft man auch in der Gegend um Munkatsch, in deutlicher Entfernung zu den böhmischen Ansiedlungen, noch auf Menschen mit rudimentären bis guten Kenntnissen des deutschböhmischen Dialekts.Die jüngste Sprecherin dieser Mundart, geboren 1961, wohnt in dem von Deutschböhmen besiedelten Kobalewitz. Diese sehr kompetente Gewährsperson ist mit einem Ukrainer verheiratet, der kein Deutsch spricht. Auch von ihren sechs Kindern spricht keines mehr ihre Primärsprache. Sie benutzt ihren Dialekt jedoch noch häufig im Gespräch mit anderen Deutschböhmen im Dorf und auch mit ihrer älteren Schwester. Mit weiteren Geschwistern, die nicht in Kobalewitz leben, spricht sie nach eigenen Aussagen ebenfalls gelegentlich die deutsche Varietät. Da sie in der Schule keinen Deutschunterricht hatte, besitzt die Frau keine aktive und nur minimale passive Kompetenz in der deutschen Standardsprache. Im Vergleich dazu verfügen gerade ältere Sprecher, die in der Zwischenkriegszeit die Schule besuchten und Deutschunterricht erhielten, meist über hervorragende hochsprachliche Kenntnisse, wobei auffällig ist, dass diese Standardvarietät, bedingt durch den engen Kontakt mit anderen Sprachen in dieser multilingualen Region, transkarpatische Eigenheiten ausgebildet hat.
Zusammenfassend kann davon ausgegangen werden, dass die Tradition der deutschböhmischen Varietäten in Transkarpatien in wenigen Jahrzehnten abreißen wird.
Die verbliebenen Deutschsprechenden in den deutschböhmischen Siedlungen Transkarpatiens sprechen ein Bairisch, das Ähnlichkeit zu den heutigen Dialekten des südöstlichen Bayerischen Waldes und noch deutlicher zu denen des südlichen Böhmerwaldes aufweist. Erste Auswertungen des Sprachmaterials lassen zunächst das Bild eines zum größten Teil von neueren Einflüssen freien mittelbairischen Dialekts entstehen. Allerdings ist, genau wie im bairischen Kernraum, bei der Siedlervarietät ein langsamer Rückgang bairischer Kennwörter festzustellen. So ist das Wort tengg (links) nur noch als Erinnerungsform bekannt. Es findet in der Alltagssprache kaum bis keine Verwendung mehr und gehört mehr und mehr lediglich zum Passivwortschatz des Deutschböhmischen Transkarpatiens.
Der deutschböhmische Dialekt in der Westukraine weist leichte Ab- und Umbautendenzen auf, was darauf schließen lässt, dass die mitgebrachte Sprache zu keiner Zeit vollkommen isoliert von anderen deutschen Dialekten war. Wie von mehreren Gewährspersonen berichtet wird, gab es Kontakt mit anderen Siedlungen und somit auch mit anderen deutschen Varietäten in der Umgebung von Munkatsch.