Die heutigen Reste deutschböhmischer Besiedlung in Kansas gehen vor allem auf Auswanderer zurück, die nicht direkt aus dem Böhmerwald in die Neue Welt fanden, sondern bereits mehrere Jahrzehnte in der ehemals österreichischen Bukowina siedelten. In den amerikanischen Einwanderungsdokumenten wurden die Siedler daher häufig als Österreicher (Austrians) geführt.
Vor allem aus den Orten Bori, Fürstenthal, Karlsberg und Pojana Mikuli/Buchenhain fanden Deutschböhmen, viele in der Zeit zwischen 1880 und 1915, ihren Weg aus der Bukowina nach Nordamerika, nachdem deren Vorfahren Ende des 18. und zu Beginn des 19. Jahrhunderts ihre angestammte Heimat im Böhmerwald gen Osten verließen. Als Beginn der deutschböhmischen Besiedlung der Bukowina gilt die Gründung einer Glasfabrik in Karlsberg im Jahr 1786. Die letzten böhmischen Siedlungen wurden in den Jahren 1835-38 gegründet. Die nur wenige Jahrzehnte später einsetzende Auswanderung nach Nordamerika hatte vor allem wirtschaftliche Gründe. Die Mehrheit der amerikanischen Bukowiner findet sich heute in Ellis County, Kansas.
Verschriftlichung des Tonbeispiels:
Wiare jung gwen bi, hane dengt, you know, i dengt, mia hama gsogd Santa Claus hoaßda. Hane dengt, mai, des, you know. Wia kann an dea Mann von da North Pole kema um die ganze Weld en oana Nocht. You know, des, des hanama dengt. Mai Mama sogt: „Oh ja, dea is schoaf. Dea hod aa Helfa, dea hod oh de Elves, you know, wos eam hilft.
So und i ha’s bisse glaubt. And ah oa Nocht is a Sturm gwen draußt, a Blizzard hama ghod. Und d’Mama hod gsogd: „Muaßds niedaleng!” So, hama umeganga mid mai, mid mai Dadda, hamase niedaglegd. And mai Schwesda and I, de älda Schwesda, do hands scha fuat gwen, you know, de hand scha glai ghairad gwen. So hama ainaganga und af amol hama head. [Fußtritte]. Ea is do. So, hama gwoadd fia a Wail, af amol hods, hane ghead: „Ho, ho, ho!“
„Woadd, dea is do gwen!” So, af amol, Mama is aikema, gsogt: „Eß kinnds eizd außakema und seng, wos, wos grigd hosd! Dea, da Santa Claus is do gwen.” Und alright, sama außeganga. Easchde Ding, wose gschaud han, i han gsogt zu mai Mama, sog: „Wo isa denn ainakema?“
„Na, so vo de Dia dot!” So, i ha mai Flashlight, i ha so a Flashlight, i woaß ned, wia de Daidsch des song. Naja, i ha mai Flashlight gnumma und bin auße. I ha koa Tracks gseng in die Schnee. Soge: „Mama, wia can dos, wia kann dos sa? Do hand koa Tracks draußd!“ Dann hods gsogt: „Well, you know, ah, des Blizzards draußd hod so iwa, you know, aigfegt!“ Well, hane gschaud oft und gsogt: „Owa is aa koa Wossa do!” „Jo, de Schnee, dea hod glaint, you know, ... ha`s afgwischt scha!“
Übertragung:
Wie ich jung gewesen bin, habe ich gedacht, you know, ich gedacht, wir haben gesagt Santa Claus heißt er. Habe ich gedacht mei, das, you know. Wie kann denn dieser Mann vom North Pole kommen um die ganze Welt in einer Nacht. You know, das, das habe ich mir gedacht. Meine Mutter sagt: „Oh ja, der ist scharf. Der hat ja Helfer, der hat ja die Elfen, you know, was ihm hilft.“
So und ich habe es ein bisschen geglaubt. And ah, eine Nacht ist ein Sturm gewesen draußen, einen Blizzard haben wir gehabt. Und die Mama hat gesagt: „Müsst euch niederlegen!“ So, sind wir hinübergegangen mit meinem, mit meinem Vater, haben wir sich niedergelegt. Und meine Schwester and I, die ältere Schwester, da sind sie schon fort gewesen, you know, die sind schon gleich verheiratet gewesen. So sind wir hereingegangen und auf einmal haben wir gehört. [Fußtritte]. Er ist da. So, haben gewartet für eine Weile, auf einmal hat es, habe ich gehört: „Ho, ho, ho!“
„Warte, der ist da gewesen!“ So, auf einmal die Mama ist hineingekommen, gesagt: „Ihr könnt jetzt herauskommen und sehen, was, was du gekriegt hast. Der, der Santa Claus ist da gewesen.“ Und alright, sind wir hinausgegangen. Erste Ding, was ich geschaut habe, ich habe gesagt zu meiner Mama, sag: „Wo ist er denn hereingekommen?“
„Na, so von der Tür dort!“ So, ich habe mein Flashlight, ich habe so ein Flashlight, ich weiß nicht, wie die Deutschen das sagen. Naja, ich habe mein Flashlight genommen und bin hinaus. Ich habe keine Tracks gesehen in die Schnee. Sage ich: „Mama, wie can das, wie kann das sein? Da sind keine Tracks draußen!“ Dann hat sie gesagt: „Well, you know, ah, der Blizzard draußen hat so über, you know, hineingefegt!“ Well, habe ich geschaut dann und gesagt: „Aber ist auch kein Wasser da!“ „Ja, der Schnee, der ist geschmolzen, you know, ... habe es aufgewischt schon!“
In Ellis ist von einem völligen Verlust der deutschböhmischen Primärsprache auszugehen. Nur noch wenige Sprecherinnen und Sprecher der älteren Generation beherrschen diese Mundart, wobei sich bei den einzelnen Gewährspersonen meist bemerkbar macht, dass ihre Muttersprache, mit der sie sozialisiert wurden und die häufig in ihren ersten Lebensjahren die einzige Sprache darstellte, deutliche Ab- und Umbautendenzen zeigt. Zahlreiche Entlehnungen aus dem Englischen, Lücken im Wortschatz und vor allem während der Gespräche mit den Bewohnern beobachtbare Unsicherheiten im Satzbau belegen dies deutlich. Siehe hierzu auch das obige Tonbeispiel. Hier lässt sich ein signifikanter Unterschied zu den deutschböhmischen Siedlern Transkarpatiens (Ukraine) erkennen. Die Äußerungen der Deutschböhmen von Ellis lassen zwar noch Rückschlüsse auf den Dialekt der Auswanderer zu, daneben sind sie aber ein Beleg für den Abbau der regionalen Ausprägung des Deutschen, der in ein oder zwei Generationen zum Sprachtod führen wird, bedingt durch das inzwischen alle Bereiche dominierende Englisch. Der ursprünglich bei den Sprechern, zumindest nach Eintritt in die Schule, vorhandene deutsch-englische Bilingualismus wird zugunsten eines Monolingualismus aufgegeben.
Ein Vergleich der deutschböhmischen Varietät in Ellis mit den Mundarten des Mittleren Böhmerwaldes zeigt eine große Übereinstimmung mit in den letzten Jahren durchgeführten Sprachaufnahmen des ADT (Atlas der deutschen Mundarten in der Tschechischen Republik) aus der Gegend zwischen Markt Eisenstein im Nordwesten und Winterberg im Südosten des Gebiets. Dies deutet darauf hin, dass die Vorfahren der Auswanderer aus diesem Teil des böhmischen Mittelgebirges, nahe der Grenze zu Bayern, stammten. Im Archiv des ADT wurden Dialektaufnahmen aus den Ortschaften Neumark/Všeruby, Vollmau/Folmava, Deschenitz/Dešenice, Grün/Zelena L., Eisenstraß/Hojsova Stráž, Markt Eisenstein/Železná Ruda, Kundratitz/Kundratice, Langendorf, Innergefild/Horska Kvilda, Winterberg/Vimperk, Neuhüblern/Nová Houžná, Oberschlag/Milešice, Eleonorenhain/Lenora und Langenbruck/Olšna mit den Aufnahmen des Informanten Joe Erbert aus Ellis, Kansas, abgeglichen. Die größte Passung ergab sich dabei mit den Aufnahmen aus Kundratitz und Langendorf.
Bemerkenswert ist bezüglich metasprachlichen Wissens die Beobachtung, dass im Gegensatz zu den Sprechern in Transkarpatien die Bukowiner in Kansas ihre Sprache zutreffend als daitschbehmisch bezeichnen. Diese Benennungs-kompetenz steht wohl im Zusammenhang mit den kulturellen und sprachlichen Aktivitäten der Bukovina Society of the Americas in Ellis, die in den Jahren seit ihrem Bestehen Wissen über Herkunft, Kultur und Sprache unter den Mitgliedern der Gesellschaft verbreitete und weiterhin verbreiten wird.
Die Varietät von Ellis lässt sich eindeutig der bairischen Dialektgruppe zuordnen. Er weist, je nach Gewährsperson, eine leichte bis deutliche Mischung der beiden Subsysteme Nordbairisch und Mittelbairisch auf. Gerade dieses Schwanken zwischen nord- und mittelbairischen Besonderheiten in Abhängigkeit zu den befragten Sprecherinnen und Sprechern ist für die Linguistik und Siedlungsforschung von besonderem Interesse. Es entsteht der Eindruck, dass in den einzelnen Familien unterschiedliche, bereits aus der Bukowina und wiederum vorher aus dem Böhmerwald mitgebrachte Dialektunterschiede sich zum Teil bis heute erhalten haben. So zeigt die Mundart einer Gewährsperson, deren Vorfahren aus Fürstenthal kamen, einen eher nordbairischen Vokalismus, die eines anderen Sprechers, dessen Großmutter ebenfalls aus Fürstenthal, sein Großvater jedoch aus Pojana Mikuli/Buchenhain stammte, mittelbairische Dialektmerkmale. Allerdings soll nicht unerwähnt bleiben, dass in der Sprache dieses Sprechers neben der Mehrheit von Wörtern mit mittelbairischer Lautung auch gelegentlich nordbairische Elemente greifbar sind. Dieses wortweise Wechseln zwischen nord- und mittelbairischen Merkmalen ist typisch für die Mischmundarten des mittleren Böhmerwaldes südöstlich von Markt Eisenstein. Dies belegen Vergleiche mit Aufnahmen des ADT (Atlas der deutschen Mundarten in der Tschechischen Republik) aus den Orten Kundratitz und Langendorf im tschechischen Böhmerwald.
Die deutschböhmischen Varietäten in Ellis County sind insofern als konservatives Bairisch zu klassifizieren, als bairische Kennwörter vorkommen, wie z. B. die Wochentagsnamen Ertag (Dienstag) und Pfinztag (Donnerstag). Die in keiner Position zu beobachtende, als mittelbairische Neuerung zu bezeichnende Vokalisierung von postvokalem L, ist ein weiteres Indiz für die hohe Konservativität der Siedlermundart. Allerdings zeigt sich auch in dieser Auswanderervarietät ein teilweiser Verlust bairischer Kennwörter. So konnte das Wort Pfeit (Hemd) nicht mehr belegt werden. Dieses Lexem ist den Gewährspersonen unbekannt. Deutliche Interferenzen zeigen sich mit der englisch-amerikanischen Mehrheitssprache (z. B. candy, flashlight, blizzard, alright), Einflüsse von anderen in der Umgebung gesprochenen deutschen Dialekten (Wolga- oder Plattdeutsch) auf das Deutschböhmische konnten im Zuge dieser Aufnahmen nicht festgestellt werden.